10. Jantus 1214 - Ein langer Sonnenuntergang - 17:26:36 Uhr
Und so positionierten sich die ehemaligen und inzwischen untoten Könige vor dem Haus und trafen ausreichende Vorbereitungen, um dem Feind zu begegnen. Alvanon kletterte behände auf das Dach des Hauses kletterte. Die Hütte bot seinen geschickten Füßen ausreichend Halt, sodass er die Szenerie in aller Ruhe aus einer Höhe von etwas mehr als drei Metern beobachten konnte. Während Mephala und Mauron ihre Spiegelbildern wirkten, um sich vor plötzlich auftauchenden Feinden, zusätzlichen Schutz zu verschaffen, sah auch Nicos, dass er nach all den Jahrhunderten - wie durch ein Wunder, ein Segen Menthirs - den Einsicht in die Mächte Dagurs nicht verlernt hatte. Aus dem Nichts erschien ein drei Meter großes Ungetüm, dessen Fleisch in Fetzen von seinem Gesicht und seinem Körper hing. Ein starker Geruch der Verwesung ging von seinem massiven Körper aus. Die Haut, wie wahrscheinlich einmal helle Gelbtöne hatte, war inzwischen in ein gesprenkeltes Schwarz verödet. Sein massiver Kopf schnaubte und sein übriggebliebendes Auge fixierte die Elbin fleischlüstern, die sich gar nicht getraute, ihren Kopf zu wenden.
"Uuuuuaaaaaahhhhh", ließ das massive Wesen mit stumpfen und abgebrochenen Zähnen verlauten, während sich zum Abschluss des Beschwörungszaubers noch ein massiver Baumstamm in den Händen des Wesens, welches wohl mal ein Oger war, manifestierte, den es wie eine Keule schwingen würde. Die Elbin wurde bleich.
Mauron reagierte zuerst, in dem er das Horn spielte, als Gestalten aus dem Nebel traten. Fünf Männer in Leinenumhängen, welche von grauer Farbe waren, machten die ersten Schritte aus dem Nebel. Es waren Menschen, alle um die sechs Fuß hoch groß, von meist schlanker Gestalt. Sie trugen schwere Armbrüste bei sich, welche aus dunklem Holz gearbeitet waren. Ihre körperumschlingenden Umhänge verbargen sonst fast alles, was sie an ihrem Körper trugen. Nur die breite des Umhanges ließ darauf schließen, dass die Männer darunter sehr wohl gerüstet waren. Einzig die Brosche, welche den Umgang zusammenhielt, zeugte von Schmuck, denn es war eine stilisierte Sonne, welche über einen Horizont stieg. Eines der vielen Zeichen Novarals: der neue Tag. Hinter ihnen kam zwei auffälligere Gestalten aus dem Nebel gestiegen. Ein blonder Mann ohne diesen Umhang, aber mit gräulicher Metallrüstung, welche mit schmuckvollen Intarsien aus Bronze veredelt war. Über den Schultern trug er einen Zweihänder, dessen Spitze abgetrennt worden war, mit einiger Absicht: ein zwergisches Henkersschwert, nur eine Nummer größer. Das Schwert gab ein leichtes Summen von sich und schien den Nebel hinter sich sogar zu verstärken. Seine kantigen Gesichtszüge waren nachdenklich, als er die vorbereiteten Wesen vor sich erblickte.
Doch dann trat noch ein älterer Mann aus dem Nebel, dessen langes, braunes Haares bis auf seine Schultern reichte. Sein Gesicht war von einem Vollbart und seiner zerfurchten Stirn geprägt. Er trug die typische Kleidung eines Kardinals, nur dass sein Talar nicht wie bei Vecorgläubigen üblich, in farbiger Pracht erstrahlte, sondern in einem ernsten und biederen Grau, welches jedoch mit Goldfasern durchwirkt war. Um den Hals trug er eine stilisierte Sonne, halb Sonne, halb Auge. Eines der vielen Sonnensymbole Vecors. Mit der linken Hand umschlossen trug er einen hözernen, knorrigen Stab an dessen Kopfende pures Sonnenlicht zu scheinen schien.
Er runzelte seine zerfurchte Stirn, als er die Inquisitorin auf dem Boden zwischen den Beinen des Ogerzombies hindurch sah und die Verteidigungshaltung der untoten Könige.
"Ergebt euch, Wesen Dagurs.", sagte er mit entschlossener und erstaunlich erhabener Stimme, welche an die eines alten Gelehrten erinnerte.
"Und Novarals Jünger werden euch nicht in tausend Sonnenstrahlen vertilgen. Wehrt euch, und ihr vergeht wieder dorthin, woher ihr entkrochen seid. So wahr ich Sir Cairnat d'Moira bin." Scheinbar verlangte der alte Priester tatsächlich, dass die Untoten sich einfach ergaben. Môr Tahâs lächelte nur, hielt sein Schwert quer vor sich in einer ungewöhnlichen Verteidigungshaltung, aber schwieg. Genauso wie die Alben noch nicht ihre Bögen zum Einsatz brachten, wohl aber spannten. Der Alb erwartete interessiert, wie die Untoten darauf reagieren würde und eröffnete den Angriff nicht. Wahrscheinlich noch nicht.
Nicos Einschätzung nach sollte man es in dieser Situation erst einmal mit der Kraft der Worte probieren, bevor man weiter mit Waffengewalt vorgehen würde. Denn die Kraft eines vecorianischen Priesters Untote mit positiver Energie zu vernichten, war dem Nekromanten nicht fremd. Es war eine heikle Situation, aber vielleicht würde eine gute Lüge sehr hilfreich sein. Nicos Meinung nach musste er einfach alles auf eine Karte setzen. Mit kalter Stimme und emotionlosem Gesicht sagte er zu dem Vecorianer, der sie zuvor ansprach:
"Und was bringt uns eine Kapitulation? Werden wir dann für alle Zeiten eingesperrt in einer Zelle verrotten? Ist es das, an was Ihr gedacht habt? Damit bin ich nicht einverstanden. Diese elbische Schlampe dort auf dem Boden weiß ja längst nicht alles. Der Alb, der rechts neben mir steht, sagte uns vor dem Treffen mit der Elbin, dass dieses Gebiet von Alben umstellt ist und wir keine Dummheiten anstellen sollten. Der Nebel und Unsichtbarkeit verbergen sie. Die Alben sind außerdem die Meister der Schatten. Das sollte Euch doch bekannt sein. Kämpft gegen uns und Ihr werdet in einem Pfeilhagel sterben oder zieht Euch zurück und lebt weiter."Mephala verzog derweil auch keine Miene. Sie zog sich nicht ins Haus zurück und versteckte sich dort. Die Magierin war allerdings gespannt, ob Nicos Worte überhaupt irgendetwas bei diesen Vecorianern brachte. Bevor sie jemand attackieren würde, würde sie einen Schritt gen Nordosten gehen und einen sengenden Strahl auf Sir Cairnat d'Moira zauber, bevor dieser angriff.
Da standen sie nun, die Häscher sie zu töten. Noch hatten sie nicht angegriffen, aber das würde nur eine Frage von Sekunden sein, sollten sie sich nicht direkt ergeben. Für diese Vecorianer waren sie doch nur Abominationen des Lebens, keine Wesen die man gern als Nachbar haben möchte. Und wenn sie noch nicht angriffen, dann wohl nur weil sie die Lage zuvor besser analysieren wollten. Vielleicht hingen sie auch an der Elbin und wollten diese nicht gefährden. Obwohl das wohl kaum zu dieser Art von Personen passen würde. Sie waren Fanatiker, dumm genug sich freiwillig in den Albenwald zu begeben, nur um ein paar auferstandene Könige zu vernichten. Bereit ihr Leben für ihren Glauben und diese Mission zu opfern. Auf Verhandlungen würden sie sich wohl kaum einlassen.
„Besser also ich führe den ersten Streich aus. Das ist die Gelegenheit, meinen neuen Trick auszuprobieren“Mit möglichst ausdrucksloser Miene führte er langsam seine Panflöte an den Munde und began ein weiteres mesmerisierendes Muster zu spielen. Einem aufmerksamen, in der Musik nicht vollkommen unbewanderten Beobachter, würde auffallen, dass hierin Teile der von Mauron im Haus geübten Melodie enthalten waren.
Nun den Mann mit dem Zweihänder fixierend, konzentrierte sich Mauron auf seine Erinnerungen an Marionetten und formte für den Rest unsichtbare, silberne Fäden. Zu seinem großen Missfallen lösten sich diese jedoch direkt wieder auf, ohne ihm auch nur eine Sekunde der Kontrolle zu ermöglichen.
Vielleicht hätte er diesen Trick doch erst ausgiebiger testen sollen.
Kaum oben angekommen vernahm der Elb das Geschehen unter ihm. Er hatte gehofft, dass die Situation ohne einen Kampf auskommen würde, doch das schien nun schwer zu werden. Er wusste um seine eigene Zunge, mit der er sich bereits aus vielen Situationen herausgeredet hatte, und spürte, die Zeit gekommen war, ein wenig Silber ins Spiel zu bringen. Kurz trauerte er noch der Anstrengung nach, die ihn das Klettern zu Lebzeiten sicherlich gekostet hätte, und sprang dann herunter vom Dach, um sich unten behände abzurollen und auf die Beine zu kommen. Er nahm die nichtbenutzte Maske in seine linke Hand.
“Mephala, löst bitte den Unsichtbarkeitszauber.“Er wartete zwei Sekunden und sprach dann, ohne das Ergebnis seiner Bitte abzuwarten, schaute dabei auf seine Maske:
“Ein Drama, freilich, so würde man diese Situation einordnen, wenn man auf der Seite des Friedens stünde – eine Komödie hingegen, würde derjenige sagen, der dieses improvisierte Stück aus reiner Unterhaltungssucht anschaut. Oh sprich zu mir, Geist in dieser Maske, wie gedenkst du diese Situation zu beurteilen? Du lachst, und doch weinst du. Sind es Tränen der Heiterkeit? Oder weinst du, weil du bereits siehst, was die tapferen Ritter unseren Körpern antun werden?“ Der Elb wandte sich den Rittern zu und verbeugte sich, wie ein Künstler nach getaner Vorstellung, hielt dabei die Maske hinter seinen Rücken, um klarzustellen, dass die Ritter nun auch seine Aufmerksamkeit genießen durften.
“Mein Name ist Alvanon, Auferstanden durch eine Handlungswendung in den Regieanweisungen des Lebens. Gebt mir einen Augenblick, unser Verhalten zu erklären und entscheidet dann, wie ihr verfahren wollt.“ Er wagte es, einen Augenblick lang seinen Blick auf seine Füße zu richten um zu schauen, ob er seine Aufführung nur für sich selbst machte, oder auch für alle anderen.
Clavius war sich nicht sicher wie gut diese Ablenkung von Alvanon funktionieren würde. Bestenfalls würde sie ihnen nur ein kleines bisschen Zeit verschaffen. Von den Taten seiner Mitstreiter war er nicht ganz begeistert. Vielleicht konnte man mit diesem Sir Cairnat d'Moira doch verhandeln. Wenn er ein Vecor-Kleriker war, hatte er bestimmt effektive Waffen gegen Untote. Ein Kampf mit ihm würde also gefährlich werden. Clavius vertraute daher erst einmal auf die Kraft der Worte und rief zu Sir d'Moira:
"Werter Sir Cairnat d'Moira, ich muss mich für das Verhalten meiner Männer, wenn man so sagen will, entschuldigen. Ich übernehme dafür voll und ganz die Verantwortung, wenn es sein muss, aber bitte hört mich erst an, was ich weiter zu sagen habe. Denn Drohungen, Lügen und Ablenkungen sind meiner Meinung nach der falsche Weg. Wie genau habt Ihr Euch denn unsere Gefangenschaft vorgestellt und warum genau wollt Ihr uns gefangen nehmen? Wir kommen doch durch die magische Barriere sowieso nicht aus dem Albengebiet heraus. Ich weiß zwar nicht wie viele Alben momentan in der Nähe dieses Kampfgebietes hier sind wegen dem Nebel, aber da es- wie schon gesagt- ihr Gebiet ist, werden hier in dem ganzen Gebiet, das durch die Barriere begrenzt ist, schon einige Alben sein. Das soll keine Drohung sein, sondern nur eine Feststellung. Wir sind momentan eigentlich Gefangene der Alben und wir können nicht weg wegen der Barriere. Hat Euer Auftrag denn irgendeinen Sinn, wenn wir eh schon gefangen genommen worden sind und hier festsitzen?
Ihr haltet Dhurek für seine Taten und seine Worte bestimmt für einen Verräter an seiner Gottheit Vecor, aber glaubt mir bitte eines: Dhurek starb in einem hellen Sonnenschein. Er muss also doch im Auftrag Vecors gehandelt haben, so paradox es auch klingt. Wenn Ihr glaubt, dass ich Euch anlüge, überprüft das bitte mit Magie, ich habe nichts zu verbergen. Was haltet Ihr außerdem von Thuras IV? Meint Ihr nicht auch, dass er eine Gefahr für das Reich ist? Ich würde hierüber gerne mit Euch sprechen, wenn Ihr nichts dagegen habt."