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« am: 17.12.2017, 23:20:01 »
Longacre. Ein Ort der Schande, an dem sich die geschlagenen Seelen zum Sterben niederließen, welche zu schwach oder zu feige waren um ein würdiges Ende auf dem Soldatenfriedhof zu finden. Ihrem Onkel würde sämtliches Resthaar zu Berge stehen, wenn er wüsste wo sich seine Nichte herumtrieb. Noch dazu in einer Gesellschaft, die mit einer Ausnahme bestenfalls fragwürdig blieb. Mit großen Tönen hatte sich die junge Chelixianerin von ihren Eltern verabschiedet. Sie würde einen Weg finden, um die beachtlichte Karriere ihres Vater zu übertreffen. Auch wenn sie dafür mit Gesindel eine stinkige Gerberei überfallen musste. Wie sagte schon ihr Großvater: Wer nach dem Golde sucht, der muss zuerst im Dreck graben. Es kommt niemandem in die Tasche geflogen.
Der ehrwürdige Höllenritter namens Acillo, der seine ganz eigenen Absichten für sein Hiersein haben mochte, gab ihr etwas Zuversicht. In seiner Nähe würden ihre Komplizen wohl nicht in Versuchung kommen sie hinterher auszunehmen. Naheliegenderweise verwies er auf die aufgekratzte kleine Gestalt, die sie an ein tollwütiges Wiesel erinnerte. Allerdings war dieses gespenstische Mädchen schon schneller. Valeria bemühte sich, ihre Mundwinkel nicht nach unten verziehen zu lassen. Trotzdem lief ihr ein kühler Schauer über den Rücken, als dieses Wesen sprach.
Sie selbst war natürlich auch nicht untätig gewesen. Wer wäre sie denn, wenn sie nicht auch hier mit ihrem breiten Wissensfundus auftrumpfen könnte?
Jabral Louslik war ein hoffnungsloser Gutmensch, so viel wusste sie bereits. Gute Qualität, faire Preise, gerechte Löhne. Soweit, so in Ordnung. Nicht in Ordnung war, dass er sich Frechheiten gegenüber dem Erzbaron erlaubte und einfach glaubte, er könne keine Steuern zahlen. Da brauchte er sich auch nicht wundern, wenn die Konsequenzen auf dem Fuße folgten.
Wichtig war: Jabral besaß zwei Hunde, einen großen und einen kleinen. Wo einer war, konnte der Andere nicht weit sein. Regelmäßig marschierte ein älteres Paar vorbei, welches als Abtrittarbeiter Unrat aufsammelte und zu dieser Stunde in die Gerberei brachte.
Jabral selbst dürfte über seinem Wochenabschluss brüten. Wenn er die ganze Nacht über in seinem Büro hockte wie die Henne auf dem Ei...Dann würde dieser Raubzug nicht ohne Konfrontation enden. Aber dafür besaß sie zum Glück nun auch Mittel und Wege. Ihre eigentliche Sorge blieben die Köter.
Was sie wusste, hatte sie ihren Komplizen bereits mitgeteilt. Auf Nimias Bemerkung hin lächelte die junge Frau schief.
"Ich werde mir Mühe geben. Alles Leisesein ist jedoch verlorene Mühe, wenn uns die Hunde wittern. Das alte Ehepaar dagegen sollten wir leicht vermeiden können. Solange wir unentdeckt eintreten können, werde ich dafür sorgen, dass Louslik uns in Ruhe unsere Arbeit machen lässt. Was machen wir wegen den Tieren? "
Valeria war nur unwesentlich größer als die zierliche Schreckgestalt. Ihre leichte Rüstung, in den Nationalfarben gehalten, war eigentlich für Paraden gedacht. Zu dieser dunklen Stunde war sie aber weniger unangemessen als man zuerst denken mochte. Die Haare hatte sich die angehende Sängerin zum Pferdeschwanz gebunden, das Gesicht unter den Augen mit einem Schal verborgen. Welcher Gauner, der etwas auf sich hielt, ging sein Tagewerk schließlich ohne Maskierung an? Einen Sack hatte sie ebenfalls dabei, denn irgendwo musste sie ja den Plunder aus dem Büro verstauen. Sie fühlte sich vorbereitet.