Der Gnom lässt ein lang gezogenes „Hm“ vernehmen, bevor er sich schweigend mit seiner rechten Hand über den Bard fährt.
Lange Zeit vergeht, in der Kintibus, ohne ein Wort zu verlieren, mit abwesendem Blick auf den Altar vor sich starrt. Die Sekunden werden zu Minuten und das Warten in der schier unerträglichen Stille scheint kein Ende nehmen zu wollen, bis schließlich der Novice Narold der Stille mit flüsternder Stimme ein Ende bereitet: „Ähm, Eure ehrenwerteste Exzellenz,“, ein Räuspern, „das Orakel. Unsere Gäste fragten...“
„Ich weiß, um den Gegenstand der Frage unserer Visitanten. Wären es nicht die Zeiten, die wir haben, würde ich dich, ob der Tat, dass du es wagst mich beim Nachsinnen zu disturbieren, den Boden der Cella so blank zu Putzen, auf dass ich mich darin spiegeln könnte.“
„Verzeiht, Eure...“, setzt der bleich gewordene Novize stammelnd an, wird jedoch prompt von Kintibus unterbrochen: „Ich sagte, du sollst mich nicht unterbrechen, Narold!“ Erneut wird es still im Tempel, diesmal allerdings nur wenige Herzschläge lang. „Nun denn, Fremde, um zu Eurer Frage zu kommen: Ja, ich kann Euch etwas darüber berichten.“ Fast könnte man denken, dies wäre die lang erwartete Antwort auf die Frage des Zerebromanten, bis der Gnom nach einer kurzen Unterbrechung wieder anfängt zu reden: „Ich werde mich kurz fassen: Die letzte Berichterstattung über das Orakel aus den Archiven Tiefwassers stammt aus der Zeit Herbalds des Bärtigen und ist somit dreihundertvierundfünfzig Jahre alt. Der damalige hohe Priester von Deneir – Deneilieb von Kerzenburg – schreibt dort auf seine letzten Tage im Sanatorium Maximum, dass ihm der Stern der Weisheit um exakt 23:47 Uhr des dritten Uktar den Weg zu einem versteckten Labyrinth im Berg Tiefwasser gewiesen hatte. In diesem Labyrinth wäre er auf das bereits damals für eine Legende geglaubte Orakel von Tiefwasser gestoßen, dass ihm nach einer Prüfung die Beantwortung einer Frage gewährte. Eigenen Angaben nach, gelang ihm jedoch die Entschlüsselung deren Antwort seines schwachen Geistes wegen nicht mehr vor seinem baldigen Ableben und, da aus seinen Diarium kein Hinweis auf die Frage oder die Antwort zu finden sind, gelang es bis dato niemandem die Antwort der Orakels zu entschlüsseln.
Hinzugefügt werden muss natürlich, dass bei seine Reise unter Tage keinerlei Zeugen zugegen waren, sodass ungeklärt bleibt, ob der Bericht auf einem tatsächlichen Ereignis basiert oder seiner Phantasie entsprungen ist. Unerquicklich ist hierbei natürlich, dass dies die genaueste und zeitgenössischste Quelle über das Orakel von Tiefwasser ist, denn die restlichen Quellen finden sich in einem Mär, drei Sagen und dreizehn alten Liedern, deren Wahrheitsgehalt mehr als fragwürdig ist. Abschießend muss also festgehalten werden, dass es keinen einzigen Beweis für die Existenz eines solchen Orakels gibt.
Fakt ist dagegen – denn dies geht aus mehreren Quellen hervor – dass Deneilieb von Kerzenburg erst wieder um 7:34 Uhr des nächsten Tages in liederlichem Zustand den Tempel des Deneir betrat und mit einer manischen Entschlossenheit die sofortige Deportation des Sterns der Weisheit in den Mystratempel anordnete, der bis zum heutigen Tage auf der Spitze eben dieses angebracht ist. Fakt ist auch, dass der hohe Priester seit diesem Tage seine Gedanken nicht mehr Ordnen konnte und von Eis und dem Ende der Welt wirr daherredete, sodass er ins das Sanatorium Maximum eingewiesen wurde.
Ihr merkt also, dass ich in diesen Zeiten an meinem früheren Urteil und dem meiner Kollegen zweifle, die letzten drei Seiten des Diarium von Deneilieb von Kerzenburg seien einer weiteren Untersuchung nicht wert.“
Kintibus Erpelfuß holt tief und lautstark wie ein Blasebalg Luft. Er setzt wieder an sich über den Bart zu fahren, als er plötzlich inne hält.
„Wartet hier!“, weist er die Helden an, murmelt leise eine magische Formel und öffnet ein Dimensionstor, das er flugs durchschreitet, nur um einen kurzen Augenblick später mit einem faustgroßen Edelstein, der am Ende eines eisernen Stabes befestigt ist, wieder zu erscheinen.
„Hier, Fremde, nehmt den Stern der Weisheit und bringt ihn zum Tempel des Deneir. Ich trenne mich nicht vollkommen von meinen Misstrauens und nur sehr ungern vom Stern der Weisheit, doch bin ich mir des Umstandes bewusst, dass diese Kostbarkeit niemandem nützt, wenn das Eis erst ganz Toril bedeckt. Wenn Ihr also die Wahrheit sprecht, eilt Euch, auf das euer Vorhaben uns allen nütze.“
Mit diesen Worten tritt der Gnomenpriester zu Neriglissar und überreicht ihm den Stern der Weisheit.