Tatsächlich hatte Galian gehofft, dass es in dem Buch um grausame Rituale ging. Er hatte mehr darüber lernen wollen, was es mit dem Mädchen und den merkwürdigen Kreaturen auf sich hatte, hasste er es doch, kein Wort von Selamins und Skrachings Gefasel zu verstehen. Er wollte nicht gleich mitreden können, aber zumindest ein gewisses Verständnis für die Materie schien ihm notwendig.
Doch die Enttäuschung wich jäh, als Galian zum ersten Mal begriff, was Magie bedeutete. Bisher hatte er es schlicht als etwas verstanden auf das sich Feiglinge verließen, die keine Klinge zu führen wussten, doch das Buch zeigte ihm zahlreiche Möglichkeiten, die ihm selbst helfen könnten stärker zu werden, ohne dass er dazu seine Waffen aus der Hand legen musste.
Man konnte den Körper eines Menschen durch Magie zu ungeahnten Leistungen befähigen. Galian malte sich immer wieder aus, wie er verschiedene im Text diskutierte Zauber für seine eigene Arbeit nutzen konnte und sah sich schon unsichtbar durch Wände gehen und in nie dagewesener Leichtigkeit seine Ziele niederstrecken. Immer interessierte widmete er sich dem Buch und verschlang Seite um Seite.
Ob er solche Zauber erlernen können würde? Während er die letzte Seite des Buches laß träumte er ein wenig vor sich hin und dachte an die ganzen Bücher, die sie mitgenommen hatten. Wenn er sie alle lesen würde, musste doch irgendetwas dabei herauskommen... Galian schloss das Buch und erstarrte bei dem unerwartet lauten Geräusch das dieser produzierte.
Erst langsam sickerte das was seine Augen gesehen hatten in sein Gehirn. Eine Gestalt war an ihm vorbei zur Tür geschritten.
"Ruicks Lakai? Nein, es war ein Hühne gewesen. Maduun!"
Schockstarr und mit geweiteten Augen blickte Galian geradeaus, unfähig eine Entscheidung zu treffen "Es ist schon morgen... Ich habe ihn nicht bemerkt... was habe ich getan?" Die Gedanken flogen nur so durch Galians Kopf und türmten sich allmählich zu Vorwürfen auf.
Er hatte den anderen versichert Wache zu halten und darüber hinaus hatte er mit Absicht wach bleiben wollen, denn seinen Gefährten noch immer nicht genug, um sich in ihrer Gegenwart schlafen zu legen. Er hatte aber nicht gewacht, sondern sich von den Träumen eines dummen Jungen gefangen nehmen lassen. Wenn der grobschlächtige Hühne an ihm vorbei gelaufen war ohne seine Aufmerksamkeit zu erregen, dann hätte es jeder geschafft.
Galian fühlte sich furchtbar elend, fast als hätte er dem Tod ins Antlitz blicken müssen. und in gewisser Weise, war es genau so. Aus Furcht vor einem hinterhalt wollte er vorbereitet und wach sein, und doch hätte man ihn mit Leichtigkeit ausschalten können.
Was war bloß mit ihm los? Er musste sich zusammen reißen...
Skraching sagte etwas und nur langsam drangen seine Worte zu Galian heran. "Maduun" antwortete der Assassine reflexhaft und ohne wirkliche Kraft in seiner Stimme. Noch immer war fühlte er sich gelähmt, als hätte ihn jemand bei etwas ertappt.
Auch Joyce konnte Galian nicht am Gehen hindern. Aber der Wahnsinn dieser Tat schaffte es immerhin Galian endlich wachzurütteln. Kurz überlegte er, ob er Joyce hinterherlaufen könnte um ihn einzuholen, entschied sich aber dagegen, da es zu auffällig wäre, wenn man sie sehen sollte.
Er bemerkte wie auf einmal Kyra neben ihm saß und erschrak beinahe erneut. Er spürte nun den Schlafmangel in seinen Gliedern, die sich dadurch auf eine merkwürdige Art unvertraut anfühlten.
Kyra sprach ihn an und doch dieses mal war Galians Geist schon wieder etwas aktiver und er konnte ihr vernünftig antworten, wenn gleich die Frage ihn doch etwas verwirrte.
"Ihr schlaft auf einer Matraze und bekommt davon Rückenschmerzen?" fragte er mit einem ungläubigen Unterton zuckte aber mit den Schultern "Wie ihr meint. Setzt Euch verkehrt herum auf den Stuhl." Er selbst rückt an die junge Frau heran und begann zunächst etwas mechanisch aber dann mit fachkundigen Handgriffen Kyras Hals und Schultern zu massieren. Er kannte sich mit dem Menschlichen Körper aus und wusste wie man ein verspanntes Genick lockern konnte, allerdings wusste er auch wie man es zerbrach wie einen trockenen Zweig.
Galian bemerkte, dass die Massur ihm selbst auch gut tat, er beruhigte sich und auch die Vorwürfe bauten sich langsam ab. Er war sich sicher, dass er sofort reagiert hätte, wenn eine wirkliche Gefahr gedroht hätte. Er konnte sich bisher immer auf seine Sinne verlassen und wusste, dass sie nicht angeschlagen waren, weil er im Inneren gewusst hatte, dass Maduun ihn nicht bedrohte.
Den zweifelsohne ansprechenden weiblichen Reizen, die Kyras Nacken und Schultern ihm boten widmete Galian kaum einen Gedanken. Er hing immer noch dem merkwürdig ambivalenten Gedanken nach, dass er gerade den Hals einer jungen Frau massierte, was er soweit er sich erinnern konnte, noch nie getan hatte, allerdings konnte er nicht mehr zählen wieviele solcher Zarten Hälse er schon ohne zu zögern herumgerissen hatte. Er legte beide Handflächen an die Seiten von Kyras Hals, fixierte ihren Kopf mit den Daumen und begann diesen behutsam hin und her zu wenden um die Nackenmuskeln zu dehnen. Abrupt stoppte er als er Kyra gerade nach links sehen lies: "Habt Ihr gar keine Angst vor mir?". Er fuhr nach einem Moment mit der Massage fort. In seiner Stimme lag keine Bedrohlichkeit, es war eine ernsthafte Frage, merkwürdig aber dennoch ernsthaft.