Interpellation vom Spielleiter
Kritiken sind immer ein schwieriges Geschäft, gerade im Bereich der virtuellen Räume, wo uns viele Methoden der Parasprache verloren gehen. Verzeiht also, wenn ich diese Kritik versuche möglichst nüchtern und direkt zu formulieren. Mir geht es dabei darum, dass unterschiedliche Kritiken nicht zu viele unterschiedliche Interpretationen hervorrufen, deswegen werde ich versuchen an Ironie, Sarkasmus oder an zu einer enthusiastischen Formulierung zu sparen. Gerade den Enthusiasmus einzudämmen fällt mir sehr schwer, da die Runde mir sehr gut gefallen hat. Andererseits bin ich - und ich denke, dass es durch die vielen Stunden, die wir im schriftlichen Austausch standen klar geworden - kein Mensch wehender Flaggen und tosender Fanfaren.
Ich schreibe die Kritik in relativem Fluss runter. Es kann durchaus sein, dass mir im Laufe der Zeit noch weitere Punkte einfallen. Für die werde ich dann aber einen zweiten Beitrag machen. Ich bin kein professioneller Kritiker, dementsprechend seht mir bitte kleinere Fehler und Vernachlässigungen nach.
Meine Kritik wird drei große Bereiche umfassen:
- Meine Sicht auf das Szenario
- Eure Charaktere im Einzelnen
- Das Zusammenspiel
Meine Sicht auf die KampagneWer nur nach dem Namen der Kampagne gegangen wäre, hätte sicher eine falsche Erwartung von dieser Runde bekommen. Und das will ich positiv herausstellen. Kampagnen oder Szenarien, die sich mit so schwierigen Themen wie Nationalismus beschäftigen, sind schwer umsetzen oder schwer mit Akzeptanz zu versehen, weil gerade für den deutschen Staatsbürger das Thema Nationalismus ein sehr sensibles ist. In den Vereinigten Staaten oder in Frankreich - wo es ohne Zweifel auch viele kritische Stimmen gibt - wäre es in der Gesamtakzeptanz vielleicht dennoch etwas leichter. Von daher bin ich dankbar, dass ihr dieses Experiment mit mir gewagt habt. Damit fair und kritisch umzugehen ist erfahrungsgemäß schwer. Viele erliegen gleich dem Verdacht ein Mensch wehender Flaggen zu sein oder verteufeln es von vornherein direkt und machen damit jede Auseinandersetzung, egal ob kritisch motiviert oder nach subjektiver Meinung gerichtet, unmöglich. Dass ihr recht offen damit umgegangen seid und dem Ganzen eine Chance gegeben habt, ist die Voraussetzung dafür gewesen, dass aus dieser Runde überhaupt etwas werden konnte.
Methodisch ist die Runde wieder unter den spielerischen Experimenten anzusiedeln und das Pathfinderregelwerk wurde weitestgehend für ein Spielgefühl genutzt, welches nicht im primären Einzugsbereich der eher archetypischen Spielrunde ist. Viele meiner Spieler kennen diese Haltung meinerseits inzwischen schon, dass dieses eher ungewöhnliche Nutzen nicht mehr so überraschend gewesen sein dürfte. Dennoch habe ich mich dieses Szenario auch für kurze Kampfszenen entschieden, weil sie mir für das Szenario passend erschienen. Dabei waren alle Kampfszenen jedoch nicht so konzipiert, dass sie von den Spielercharakteren ausgehen mussten oder auf die Aggression der Spielercharaktere setzten, sondern alle Kampfszenen waren Szenen der Verteidigung und des Überfalls. Ich denke, dass sie insofern im Gesamtbild passend erschienen.
Als Szenario haben wir uns in die Bereiche alternative Geschichtsläufe begeben. Wir haben einen Sonderfall der Diplomatie bedient, der nachweisbar nicht in der Art stattgefunden hat und trotzdem, so denke ich, nahtlos in die Geschichte gepasst hätte, wären die Voraussetzungen leicht angepasst. Ich denke, trotz der phantastischen Züge und der eher ungewöhnlichen Charakterzusammenstellung, wirkte das Szenario an sich glaubhaft durch die wahre Ausgangsposition des Deutsch-Dänischen Krieges. Alle abseits der Vertragsgeschichte im Spiel als Fakten präsentierte Fakten, durch ihre Fußnoten erkennbar, sind historisch weitestgehend korrekt gewesen. Wo mir die Geschichte Interpretationsspielraum zugestanden hat, habe ich sie im Sinne des Spiels genutzt. Ich habe versucht, die vorgekommenen, real-existierenden Personen der Geschichte nach besten Wissen und Gewissen darzustellen und sie an ihre Vorbilder, so ihr Charakter bekannt war, anzupassen. Dass die Professorenschaft Kiels auch an einer zweiten Erhebung in der Form teilgenommen hätte, ist frei erfunden. Viele der Professoren hatten sich bereits mit dem preußischen Vorgehen nach 1848 abgefunden und versuchten innerhalb des dortigen Systems alternative Meinungen zu etablieren oder sich in diesen Grenzen zu agitieren. Es wäre möglich gewesen, dass sie dem hätten beigestanden, aber das ist eine reine Spekulation. Der eigentliche 48-er Aufstand war gebrochen und seine Helden, wie die Ohlhausens, waren ausgewandert oder bereits tot (Dahlmann). Dennoch denke ich, dass die Geschichte hier insofern gedient hat, dass Szenario, trotz seiner Phantastik und ungewöhnlichen Konstellation, plausibel zu gestalten. Wenn man die Magie streicht, ist die Qualität vielleicht fast so, dass der Unbedarfte sich denken könnte: Ja, so hätte es tatsächlich sein können, damals im Dezember 1863.
Des Weiteren haben wir diese Runde etwas mit Magie gewürzt. Ich habe mich dabei dafür entschieden, Pathfinder in seiner Gänze zuzulassen, um niemanden seinen Spielstil vorschreiben zu müssen. Die meisten magischen Nutzungen haben sich dabei sehr schön in das atmosphärische Ganze eingefasst. Diese Impulse kamen aber letztendlich vor allem von der Spielerseite, weil ich selbst etwas schüchtern im Anwenden von Magie war. So habe ich das Szenario selbst relativ magielos betrieben, mal ab von dem merkwürdigen, magischen Stab, den der Scharfschütze benutzte (er nutzte auch Zauber wie True Strike). Ansonsten habe ich weitestgehend auf Magie verzichtet und mich für einen magielosen Ansatz entschieden in vielen Fällen. Gerade in Bezug auf den hauptsächlichen Gegenstand, der gefälschte Vertrag, hätte ein übermäßiges Nutzen von Magie einen ganzen Teil des Reizes genommen - so empfinde ich es - und auch abseits des normalen Menschenverstandes, mit dem diese Aufgabe auch gelöst wurde, gegebenenfalls eine gewisse Überforderung bewirkt. Diese Überforderung ist nicht auf eure intellektuellen Fähigkeiten bezogen - ganz im Gegenteil! - sondern auf das jeweilige Zeitmanagement eines jeden Spielers. Wir haben viele Spieler mit vielen Aufgaben im Leben abseits der Runde gehabt, und deswegen empfand ich es als eine Zumutung, die Spieler auch noch die Zauberdatenbanken durchgehen lassen zu müssen, damit sie eventuelle magische Implikationen herausfiltern konnten, zumal ein Großteil der Spielcharaktere auch kein Interesse an Magie hatten oder es maximal als normales Werkzeug nutzten. Insgesamt fand ich das sehr positiv, da sich so irgendwann ein Maß an Magie herauskristallisierte und somit die Atmosphäre unterstützte. High-Magic wäre sicher unpassend gewesen, auch wenn es sicher Spieler gibt, die sich eine magische Industrialisierung eher wie auf Eberron vorstellen.
Für mich war die Atmosphäre das stärkste Element im Spiel. Ich konnte mich sehr gut in die Szenen reinversetzen und auch in eure Charaktere, was daran lag, dass ihr die Atmosphäre nicht nur mitgetragen habt, sondern sie auch beständig ausgebaut habt. Atmosphäre entsteht genau dann, so meine ich, in einem Onlinerollenspiel, wenn der Spielleiter sich nicht zu schade ist, auf die kleinen, situativen Andeutungen zwischen oder in den Zeilen der jeweiligen Spielercharaktere einzugehen und so Dinge zu betonen oder auszusparen, die ein atmosphärisches Bild verzerren könnten, und wenn die Spieler sich nicht zu schade sind, eben auch auf das vom Spielleiter angebotene Rahmenprogramm, abseits von Dialog und direkter Ansprache, einzugehen. Das habt ihr sehr häufig oder eigentlich immer getan, sodass durch den Dialog zwischen Spielleiter und Spieler ein enges atmosphärisches Geflecht entstand, welches in alle Richtungen wachsen konnte und so eine Menge von Szenen erschaffen hat, die ich nicht vergessen werde (auf die werde ich später noch eingehen).
Die Atmosphäre wurde zum tragenden Element für mich, es ist aber auch gut möglich, dass diese Atmosphäre sehr unterschiedlich bewertet oder wahrgenommen wurde. Ich selbst habe die Atmosphäre so empfunden, dass viel mit unterschwelliger, lauernder Gefahr gearbeitet wurde, die in seltenen Situationen greifbar wurde, damit sie nicht abstumpfte. Deutlicher formuliert bedeutet dies, dass unter anderem die Söldner durch die unterschiedlichen Verwicklungen und Angriffe stets eine Gefahr blieben, selten eben auch angriffen, und somit eine legitime Gefahrenquelle durch das ganze Spiel waren. Gleichzeitig empfand ich das Spiel mit Zeitdrücken deutlich fühlbar. Etwas, was nachher in Alfreds Entscheidung, mit der magischen Kutsche nach Emkendorf zu eilen, kulminierte. Ich denke, eine Uhrzeit mitlaufen zu lassen, ist eine einfache Methode, aber im Zusammenhang mit der entsprechenden Sprache sehr wirkungsvoll. Ich hoffe, diese drängende, gestauchte und von lauernder, greifbarer Gefahr geprägte Atmosphäre ist auch von euch so empfunden wurden.
Ein zweiter Part der Atmosphäre bestand in dem Versuch euch in das 19. Jahrhundert zu entführen. Letztendlich habe ich dort aber nur halbe Mühe nutzen müssen, weil ihr nicht in das 19. Jahrhundert entführt werden musstet, sondern es lieber gleich gefangenengenommen und mitgebracht habt. Ich denke in Bezug darauf, war es eine großartige Entscheidung, eine historische Persönlichkeit in der Spielgruppe zu haben. Auch das Nutzen von NSCs aus der Zeit war sehr hilfreich, aber nicht so hilfreich, wie die Tatsache, dass ihr euch sehr erfolgreich darum bemüht habt, Geisteshaltungen des 19. Jahrhunderts in die Spielwelt zu tragen. Also Carl als typischer Preuße, Conrad als Student und halber Industrieller, Alfred Nobel als Wissenschaftler und Erfinder und Samuel mit seiner Psychophysik beispielsweise. Bei allen Charakteren ließen sich noch deutlich mehr Nuancen und deutliche Erscheinungen finden. Ich brauchte dies also nur zu ergänzen, was mir diese Aufgabe leicht machte, es so darzustellen.
Und als dritter Part für die Atmosphäre waren die Lokalitäten von Bedeutung, denke ich. Kiel und Gut Emkendorf sind mir selbst gut bekannt, sowohl in ihrer physischen Präsenz als auch in ihrer jeweiligen Geschichte. Das beinhaltet jedoch immer die Gefahr, sich schnell zu vertun. Bspw. etwas als bekannt vorauszusetzen, weil man jeden Tag daran vorbeigeht, und dabei zu schnell verdrängt, dass nicht alle Spieler sich in Kiel auskennen. Auf dieser Sorge aufbauend habe ich versucht, viele Eigenarten Kiels und seiner Umgebung durch Links und Fußnoten zu präsentieren. Ich denke, dass zumindest teilweise auch für Fremde greifbares Lokalkolorit dabei rausgekommen ist. Für mich war es auf jeden Fall in Sachen Atmosphäre eine Hilfe.
Wer meine Runden kennt, weiß, dass ich mich darum bemühe, dass die Entscheidungen der Spieler
Impact haben, und dass ich in meinen Runden keine eingleisige Strecke verlege, aber auch nicht vollends improvisiere. Es gibt keinen roten Faden, sondern ein kleines Geflecht aus polychromen Fäden, ein komplexes Muster, in dem es gerade in Bezug auf ein Szenario unmöglich ist, allen Faden zu folgen. Oder wenn wir beim Railroading als Begriff bleiben wollen. Ja, es gibt eine Gleise, aber es gibt viele Gleise und die Spieler stellen die Weichen genauso wie der Spielleiter sie stellen kann. Ich hoffe, dass dieses Gefühl deutlich geworden ist und möchte gerne kurz eruieren, welche anderen Pfaden es hätte geben können, d.h. eine Auswahl präsentieren, was hätte möglich sein können. Diese Möglichkeiten werde ich nicht ausformulieren, aber es tauchen Fäden auf, die ihr zumindest kurzfristig in der Hand gehalten habt.
- Wäre der Vertrag vorher den Behörden übergeben wurde, hätte das Spiel eher den Kampf mit behördlichen Zwängen und der Diplomatie zwischen Botschaften widergespiegelt.
- Über Donalds persönlichen Ansatz wäre eine vorherige Auflösung der Braunschweiger-Sache möglich gewesen. Baker machte doppeltes Spiel und Donald hatte eine verschlüsselte Nachricht zu Beginn übersendet bekommen, die er entschlüsseln sollte. Der Auftrag lautete, den Braunschweiger für die Söldner zu töten.
- Schwester Hermenes Ansatz schlief wegen Kaymans Ausstieg leider ein, aber auch Carl und Conrad hätten darauf zurückkommen können. Nämlich die exakte Geschichte von Marius Pedersen hätte auch zu den Söldner geführt.
- Genauso wäre es möglich gewesen, dass ihr in irgendeiner Szene beschließt, die Söldner längerfristig zu bekämpfen. Bspw. nach den Angriffen, oder auch proaktiv in einer Ruhephase, oder beispielsweise bei eurem letzten Aufbruch von Kiel nach Emkendorf, als ihr Nocerino noch begegnet seid.
- Nicht zuletzt wäre auch, auch wenn diese Möglichkeit am weitesten entfernt war, ein Ausgleich mit den Söldnern möglich gewesen. Auch diese Gruppe stand unter enormen Druck.
- etc.
Vielleicht könnte man noch mehr Pfade auftun, aber das soll für eine Auswahl reichen. Ihr habt euch für den Weg des Vertrages entschieden und ich denke, das war eine spannende Entscheidung. Es hätte anders ausgehen können und dürfen, auch wenn ihr mit dem Verlauf sehr zufrieden bin. Auf der anderen Seite habt ihr nicht nur Entscheidungen getroffen, die andere Türen zuschlugen oder manche Dinge sicher auch übersehen (das ist keine negative Kritik, das ist einfach notwendig bei komplexen Runden), sondern auch ich habe das gemacht. Darauf will ich aber in Bezug auf eure Charaktere eingehen.
Ebenso wie ich eine Runde der Weichenstellungen spiele und den Spielern sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten einräume, sind auch meine Endbegegnungen eher atypisch. Durchaus kann ich bisweilen auch genießen, wenn eine Runde sich so aufbaut, dass es am Ende einen Endboss gibt und man diesen zu Fall bringt mit Feuerkraft, aber meine Runden enden in den seltensten Fällen so. Runden können mit Endboss enden, aber ich empfinde es nicht als Pflicht. Runden müssen unterschiedlich enden. Rundenfinals dürfen keine Routine sein, in der man seine Taktik abspult und vielleicht einen etwas schwereren Kampf vor der Brust hat. Ein Finale muss auch nicht immer spektakulär knallen, wohl aber muss es als entscheidende Zäsur im Spiel erkennbar sein. Ich habe mich diesmal für den letzten Kampf um den Vertrag entschieden und für ein geheimdiplomatisches Geplänkel, in der Kaiserrunde damals hatte ich mich für eine andere Szene entschieden. Dort hatten alle Spieler die Chance, sich zu opfern, um dem Land noch ein paar Jahre funktionierendes Ökosystem zu schenken, wenn man so will. Es sind sicher atypische Entscheidungen und nicht jede hinterlässt immer ein absolutes Gefühl des Sieges. Dies hat Alfred schön in seinem letzten Beitrag dargestellt. Aber ich denke, es war als deutliche Zäsur zu erkennen und mal eine ganz andere Abschlussbegegnung als die meisten von uns erlebt haben dürften.
Sehr schön fand ich den argumentativen Einsatz in diesem letzten Gefecht, welches sicher wegen der unterschiedlichen Positionen, die auch ihr Spieler hattet, nicht ganz einfach war. Mir hat dieses Finale sehr gut gefallen, gerade weil wir auch hier wieder von der Atmosphäre profitieren konnten. Würden die Söldner angreifen? War der Herzog zu überzeugen? Wer zieht seine Trümpfe zuerst? Wer zu früh? Wer zu spät? Fangen die SCs an ein gemeinsames Ziel zu verfolgen oder verfolgen sie unterschiedliche Ziele? Gerade zur letzten Frage will ich im letzten Punkt noch etwas schreiben.
Außerhalb des Spiels empfand ich den Umgang zwischen uns als sehr angenehm und zuvorkommend. Ich war als Spielleiter wie immer wenig streng, und habe sehr viel zugelassen statt restriktiv in den Ideen zu sein, weil ich etwas unpassend finde oder finden könnte. Ich habe mich mit unterschiedlichen Dingen arrangiert, die ich nicht so getan hätte oder an die ich gar nicht gedacht hätte. Und fast alle stellten sich als gute Entscheidungen raus, bspw. dass Alfred eine historische Person spielt oder dass Samuel einen Makeshift-Dozenten spielt.
Das Spieltempo war unter dem Strich sehr in Ordnung. Wir hatten gewisse Phasen der Pause, aber auch Phasen enormer Aktivität. Diese Phasen - was mich besonders freut - waren hier wahrscheinlich kein Ausdruck von Langeweile oder erhöhter Aktivität, weil sich gerade jemand besonders angesprochen empfand, sondern waren wirklich vom Trubel abseits des Spiels gesteuert. Ich denke, ein besonderes Qualitätsmerkmal entsteht nicht dadurch, dass die Leute nur etwas schreiben, wenn sie sich beschwingt fühlen, sondern Qualität ist das, was wir zu leisten imstande sind, wenn wir einen langen, schlechten oder stressigen Tag hatten. Und ich denke, jeder von uns hat für diese Runde auch vielfach auf die Zähne gebissen, selbst wenn er sich nach danach fühlte und hat trotzdem viel in die Beiträge gelegt und trotzdem hervorragende Beiträge geschrieben, also im wahrsten Sinne des Wortes Qual-ität bewiesen. Und ich denke, dass ist die besondere Leistung, durch die ich mich am meisten geschmeichelt fühle. Dass diese Runde in diesem Zusammenspiel so wahrgenommen wurde, dass sie es wert ist, dass man sich viele Gedanken um sie macht, lange in zurückliegenden Ereignissen recherchiert und eben Stunden mit dem Schreiben eines Beitrages verbringt.
Für das Zeitmanagement war sehr wichtig, dass wir aus dem Rad des Wartens ausbrechen konnten und schnell eingebürgert haben, dass wir uns abmelden, wenn wir keine Zeit haben oder OOC schreiben, wenn wir auf die Reaktion von jemanden warten. Das hat dieses qualvolle Warten ausgeschaltet.
Die Beitragsqualität war durchgehend von guter bis herausragender Qualität im Schnitt. Zum Ende hin wurden alle Beiträge fast schon unverschämt lang und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, so detailliert darauf eingehen zu müssen. Das war eine ganz große Herausforderung, der ich nicht immer voll gerecht werden konnte, aber an der ich definitiv gewachsen bin.
Begeistert bin ich davon, dass wir nach meiner zwangsläufigen Pause keine Spieler mehr verloren haben, sondern alle wieder sofort an Bord waren. Insgesamt haben wir vier Spieler verloren mit Richard von Bregnitz (der vor Spielbeginn schon verschwunden war), mit Schwester Hermene, Karl Schreiber und Donald Munro. An dieser Stelle nochmal mein Dank an diese Spieler, dass sie zumindest einen Teil des Weges mitgegangen sind und diese Runde auf ihre Art bereichert haben. Ich werde in Bezug auf das Eingehen auf die Charaktere darauf verzichten, ihre Charaktere nochmals zu bewerten. Sie haben letztendlich keine Rolle mehr gespielt, hätte es aber durchaus können, wenn sie gewollt hätten. Ich denke, dass wir letztendlich dennoch eine stabile Truppe waren, die alle Rückschläge gemeistert hat.
Ich habe euch aber auch eine ganze Menge zugemutet an
Content außerhalb des Spiels. Ich war ein schlechter Dienstleister als Spielleiter, weil ich viel der Zusammenhänge und ergänzenden Erklärungen nicht selbst geleistet habe, sondern dafür vor allem Wikipedia oder andere Quellen durchsucht werden mussten. Ich habe dabei vor allem oberflächliche Informationswerkzeuge genutzt und keiner musste wirklich Quellenstudium betreiben, aber eben schon über das Spiel hinausgehen. Das ist etwas, was ich in der Kaiserrunde begonnen hatte, und als sehr effektives Mittel kennengelernt habe, und eben auch meine Faulheit unterstreicht, aber bei der Tiefe der Runde ungemein hilfreich ist. Insofern ist dies auch Teil des Experiments gewesen. Welche Spieler würden darauf eingehen und dieses Wissen für sich nutzen? Wer beschränkt sich auf alle Erkenntnisse innerhalb des Spiels? Wer versteckt sich hinter den Ingame-Erkenntnisse, wer wird da sogar proaktiv?
Auch das ist eines der Vorteile der Pseudo-Historie. Der Spielleiter ist nicht alleine dafür zuständig, dass die Welt sich den Spieler erschließt. Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass die meisten Phantasiegebilde nur durch eine Person gespiegelt-verzerrte Wahrnehmungen unserer Welt mit geklauten Phantasieelementen sind. Das hat mir viel meiner Lust an normalen Phantasierunden genommen. Inzwischen hat sie sich etwas regeneriert, aber grundsätzlich gilt, je mehr Personen am Kanon einer Welt arbeiten, desto spannender ist sie, weil sie die Bandbreite menschlichen Denkens viel besser abbildet als ein bis fünf Menschen es können. Es gibt Möglichkeiten. Und viele Infos geben die Möglichkeit sich auch unabhängig zu informieren, und darauf basierend eigene Entscheidungen treffen zu können. Ich denke, das war für die Spieler auch einfacher. Sie konnten sich leichter überlegen, wie sein wollen und müssen das nicht immer mit dem Spielleiter abklären ins Detail. Kann es dies geben? Wieso gibt es jenes nicht?
Nicht zuletzt ist es arbeitstechnisch gar nicht zu schaffen, eine Runde mit Tiefe bereitzustellen, wenn man jede Info selbst generieren muss. Meine Kaiserrunde profitierte, obwohl Fantasy, davon, dass ihre Gesprächsthemen einfach der Philosophie entnommen waren. Und so wussten Spieler und Spielleiter auch, wovon sie sprechen. Es macht das Arbeiten einfacher. Anders würde es wohl sein, wenn alle Beteiligten gemeinsam die Spielwelt entdeckten und mitprägen können, aber das erfordert viel Bereitschaft und Interesse. Denn die Tiefe einer Runde hängt an allen. Und wenn die Spieler durch das Wissensmonopol des Spielleiters außen vor ist, ist es meist blockiert.
Und vielleicht bin ich als SL auch einfach für pseudo-historische Runde geeignet, weil ich selbst sehr viel Spaß daran habe.
Insgesamt war die Runde in ihrer Form wieder ein Experiment. Es wollte sich mit Nationalismus auseinandersetzen, aber auch mit Geheimdiplomatie und welche Verlockung auf Macht damit einhergeht. Diese Themen sind bearbeitet wurden. Ich bin sehr, sehr zufrieden mit dem Verlauf und dass wir sie beenden konnten. Obwohl sie sicher kein Rekord für Beitragsanzahl brechen wird, dürfte sie in Sachen Tiefe und Inhaltslänge ganz oben mitspielen. Ich denke, das ist eine Leistung, auf die wir stolz sein können.
Mir selbst hat die Runde sehr viel Spaß gemacht, ich habe mich gut aufgenommen gefühlt und fühlte auch, dass die Runde sehr gut angekommen ist.
Warum ziehe ich das Fazit jetzt schon, wenn noch zwei große Punkte fehlen?
Weil dies nur mein Teil ist. Und um ehrlich zu sein, war die Runde nicht der Star, sondern die Spielercharaktere waren es. Deswegen will ich meine Sicht auf die Kampagne hiermit beenden und als nächstes auf die Spielercharaktere eingehen. Dort gibt es auch, so denke ich, am meisten von mir an mir selbst zu kritisieren.
Eure Charaktere im EinzelnenGrundsätzlich will an den Anfang gestellt sein, dass ihr etwas geschafft hat, was in den meisten Runden einen Mangel darstellt. Eure Charaktere sind Charaktere. Sie sind weder nur handelnde Zahlen, noch Handeln sich nur anhand von Metagame-Notwendigkeiten und im Rahmen von Vorteilen, die das Regelsystem offenbart. Sicher spielen diese Überlegungen auch eine Rolle und das ist auch innerhalb des Systems absolut in Ordnung, aber ich habe sehr selten das Gefühl gehabt, dass die Erwägungen des Metagames ranghöher stünden als die Charaktere, sondern dass sich die Meta-Erwägungen fast immer komplementär zum Charakter verhielten. Damit ist mein Herz schnell zu gewinnen, da ich gerne mit den Restriktionen und Möglichkeiten eines Systems spiele und gerne sehe, wie Spieler das System nutzen oder eben umnutzen. Oftmals habe ich dabei beobachtet, dass die Systemebene immer über der Charakterebene stand, und hier ist es so, dass ich das als komplementär empfand. Wenn Spieler sich über die Grenzen eines Systems erheben, es für sich nutzen, aber sich nicht davon beschneiden lassen, kommt sowas raus. Das ist sehr erfreulich.
Das ist aber nicht der einzige Grund, warum mir eure Charaktere gefallen haben. Wie gesagt, haben sie erkennbar Charakter gehabt. Das bedeutet, sie hatten eigene Ziele, eigene Wertvorstellungen, eigene Motivationen und einen eigenen Kopf (soweit haben das noch viele Charaktere, die so gebaut werden), und ihr habt dafür gesorgt, dass diese Eigenheiten der Charaktere immer wieder durchscheinen, sie an dem Spielverlauf und den jeweiligen Szenen gespiegelt. Dadurch wirken diese grundsätzlichen Pläne bezüglich der Charaktere (also Motivation, einen Kopf etc. zu haben) lebendig und werden mit der Zeit auch lebendig. Das ist etwas, was alle eure Charaktere als Orden am Revers tragen dürfen. Wie bei der letzten Interpellation bereits beschrieben, empfinde ich eure Charaktere auch als facettenreich. Dieser Eindruck hat sich bestätigt. Eure Charaktere sind weder eindimensional, noch versuchen sie so viele Facetten zu besetzen, dass sie beliebig wirken. Wenn man das auf einer Skala abdecken würde, könnte man sicher sagen, dass manche Charaktere mehr Facetten als andere haben (so denke ich, dass alleine konzeptuell Samuel versucht hat, mehr Dinge abzudecken charakterlich als Carl dies getan hat), aber darüber lässt sich noch wenig über die Qualität dessen sagen. Alle Charaktere besaßen auf jeden Fall genug Abwechslung und genügend Tiefe, sodass mich die Einsichten in ihren Charakter nicht gelangweilt haben und das Verfolgen der Charaktere Routine werden.
Im Folgenden möchte ich auf jeden eurer Charaktere aber noch im Speziellen eingehen.
Samuel Weissdorn: Ich möchte mit einer Selbstkritik beginnen. Ich habe deinen Charakter funktionell sehr stark eingebunden (in die Dozentenschaft), allerdings habe ich deiner sehr vielversprechenden Hintergrundgeschichte nicht weiter in das Spiel eingebunden. Der Grund dafür liegt darin, dass ich auf das falsche Pferd gesetzt habe. Es befand sich in der Planung, dass deine Vergangenheit gegebenenfalls eine Rolle spielt, aber das hatte ich an mehr Umgang mit den Söldner geknüpft. Dadurch ist sehr viel deines Charakters in dieser Runde nicht in der Form zum Vorschein gekommen, wie dein Hintergrund es nahegelegt hat. Das tut mir in der Hinsicht leid, da mein Timing da auch relativ ungünstig war, da du nicht unendlich viele Szenen erlebt hast, seit du ins Spiel eingetreten bist. Am Ende war ich auch unwillig, noch einmal einen Bogen aufzuzwingen, um diese Möglichkeiten noch einmal aufzugreifen (es fühlte sich richtig an, es jetzt zum "Showdown" kommen zu lassen). Dadurch kann man mir zurecht vorwerfen, dass dein Charakter der war, auf den die Kampagne am wenigsten abgestimmt war, was seine innere Konflikte anging. Ich habe versucht, dass funktionell etwas zu substituieren, aber das Gelingen kann ich nur beurteilen, wenn ich deine Meinung dazu kenne.
Die Qualität deiner Beiträge ist hoch und du neigst auch dazu, wenn du die Möglichkeit siehst, lange Beiträge zu schreiben. Das tust du so, dass es mühelos wirkt. Viele andere Spieler schreiben lange Beiträge, weil andere lange Beiträge schreiben, doch sind sie häufig langatmig und wirken gekünstelt. Ich finde gut, dass du da in der Beitragslänge variabel bist und eben scheinbar mühelos auch gute, lange Beiträge beitragen kannst. Als kleine negative Kritik jedoch: Ich glaube, dass du viel aus dir und deiner Empfindung heraus schreibst (das ist nicht schlimm), aber darüber manchmal deiner spielerischen Umwelt weniger Beachtung widmest. Vielleicht war es auch ein Sonderfall deiner besonders guten Werte oder der undurchsichtigen Zeitsituation auf deiner Arbeit geschuldet. Auf jeden Fall wären viele deiner Vorstöße deutlich effektiver gewesen, wenn du deine sehr guten Werte auch mit den Entwicklungen direkt in den Szenen verbunden hättest. Du warst da sehr mutig im Vorgehen, was ich gut finde, allerdings wirkte es genau in den Szenen, in denen du auf die hohen Werten vertraut haben könntest, so, als wäre Samuel etwas kopflos gewesen.
Das ändert aber nichts daran, dass ich Samuel für einen sehr interessanten Charakter halte und ich mich darauf freue, in welcher Form er im zweiten Teil auftauchen wird. Ob es Samuel bleibt oder gar eine neue Identität.
Es haben mir sehr viele Szenen und Beiträge gut bis sehr gut gefallen, besonders schön fand ich die Umsetzung der Vorlesung. Das war eine klasse Szene, die ich sicher in die Hall of Fame, der von mir erlebten Szenen im ORPG einreihen werde. Sehr schön konzipiert und ein sehr fragliches Thema hübsch aufgebreitet. Besonders spannend finde ich, dass ich rauszufühlen glaubte, dass Samuel selbst eigentlich vergessen hat, wer er ist und diese Identitäten Selbstschutz sind und man quasi darauf wartet, wann diese Vielzahl über ihn zusammenstürzt. Genauso schön fand ich, dass Samuel sich dabei selbst immer als ziemlich elitären Typen wahrzunehmen scheint. Zumindest lässt auch das Textmaterial zwischen den Aussagen diesen Schluss zu. Das war spannend, weil es ihn teils auch sehr unsympathisch wirken lässt, als könnte alles Ungemach ihm nichts und er hätte nie Aktien drin. Der Abschlussbeitrag umfasst dieses nochmals sehr schön.
Conrad Rosenstock: Du hast die kürzesten Beiträge geschrieben, aber wie schon mehrfach betont, liegt in der Länge kein alleinstehendes Qualitätsmerkmal. Ich habe damals geschrieben, dass du auch deswegen sehr wichtig für die Runde bist, da du immer versuchst hast, den Rahmen des Ganzen im Auge zu behalten. Du hast immer ein Auge für Details bewiesen und viele kluge Anstöße geliefert, entweder per direkter Rede oder in deinen Beiträgen an sich enthalten. Das konnte ich bis zum Ende sehr schätzen.
Jetzt im Finale musstest du etwas kürzer treten und dennoch muss ich konstatieren, dass du meinem Wunsch entsprochen hast, auch mal etwas von der Gefühlswelt deines Charakters preiszugeben. Als du das vor dem Herzog ausgepackt hast, war das ganz großes Kino und eine der Szenen dieser Spielrunde! Vielleicht wirkte es auch erst durch die normale Distanz von Conrad so überragend, auf alle Fälle eine schöne Szene. Auf der anderen Seite hat es mir manchmal Rätsel aufgegeben. Das lag vor allem an mir, da ich auch Conrad als Charakter nicht persönlich ansprechen konnte. Ich habe es mehrmals über die Schiene deines Vaters probiert, indem ich deinen Vater direkt in die Waffenlieferungen an die Söldner involviert habe. Auch das wäre ein weiterer Ansatzpunkt gewesen. Vielleicht hast du es auch für die Nobels etwas auf die lange Leiter gestellt. Deswegen habe ich dich letztendlich nicht so tief einbinden können, wie ich eigentlich wollte. Ich denke, dass du dich dennoch wohl gefühlt hast und du hast trotzdem eine sehr wichtige Rolle gespielt.
Besonders hervorheben möchte ich dabei deine Fähigkeit einfach ingame und outgame sehr wichtige Fragen zu stellen. Ich denke, dass sie für die Richtungsfindung von außerordentlicher Bedeutung waren und vor allem auf immer der ganzen Spielrunde, mich eingeschlossen, geholfen haben, sich ein Bild von der Runde und dem Rahmen zu bilden.
Ich bedauere es sehr, dass du das Gate aus persönlichen Gründen verlässt. Kann diesen Schritt aber nachvollziehen. Da du davon ausgehst, dass du nicht wiederkehren wirst, scheint es ernsthafte Gründe zu haben und die möchte ich respektieren, auch wenn ich sie nicht kenne. Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Lebensweg und bedanke mich herzlich, dass du alle meine Projekte als Leser oder als Spieler bekleidet hast!
Carl von Lütjenburg: Archetypen sind spannend, wenn sie alles zusammenbringen, was man mit dem Archetyp verbindet und sie trotzdem ein eigenes Leben haben, eigene Ziele haben, sich also nicht auf den Archetyp versteifen, auf der anderen Seite aber auch nicht versuchen, alles zu sein und dabei nur das Gewand des Archetypen zu tragen. Du hast diesen Archetypen des preußischen Offiziers mit viel Leben gefüllt, ohne jetzt jede nachgesagte Eigenart mitnehmen zu wollen. Carl hatte eine sehr interessante Position für die Spielrunde, weil er nicht nur Preuße, sondern eben auch Holsteiner war. Weil er nicht nur Soldat, sondern auch Bursche war. Das hatte sehr viel Potenzial und du hast sehr viel davon abgeschöpft. Gegen Ende des Spiels hätte ich mir gewünscht, da du dich sehr deutlich für Preußen entschieden hast, dass du deine Rolle als Bursche nochmal mit in die Waagschale geworfen hättest. Aber das natürlich nur ein Jammern auf hohem Niveau.
Carl hat sich sehr stark entwickelt im Laufe des Szenarios. Obwohl als willensstarker Vorprescher konzipiert, denke ich, dass er noch nicht von vornherein mit diesem Aufopferungsgedanken in der Formulierung ausgestattet war. Carl ist damit zu einem Vorkämpfer auch für die Gruppe geworden. Dementsprechend haben diese Szenen auch bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Szene auf der Solros, aber auch der todesmutige Einsatz vor dem Gut Emkendorf haben diesem schön Ausdruck verliehen und gehören ebenso in die Hall of Fame.
Deine Qualität ist auch hoch bis sehr hoch. Du bist stetig dabei und bringst die Runde auch stets voran. In der Hinsicht kann man sich nicht viel mehr wünschen. Was ich mir manchmal gewünscht hätte, wären vielleicht mehr emotionale Darstellungen von Carl. Ich denke, dass dort noch Potenzial war, gerade weil Carl so ein beinharter Nationalist ist. Diese Fragen nach dem Fundament des Nationalismus werden sich im zweiten Szenario noch eine wichtige Rolle spielen.
Andererseits war Carl für diese Runde aber auch atmosphärisch sehr wichtig, weil er den Nationalismus der Zeit, diesen harten Patriotismus immer vor Augen der Runde gehalten hat. Etwas, wozu ich als Spielleiter nicht durchgängig fähig gewesen wäre. Das war mir eine große Erleichterung. Den Stil, den ich eigentlich in die Runde bringen wolltest, hast du erst wirklich gebracht.
Ich freue mich auf den zweiten, gemeinsamen Part.
Alfred Nobel: Positionen können sich verschieben und haben sicher etwas mit den Verantwortlichkeiten und gefühlten Verantwortlichkeiten zu tun. Alfred hat letztendlich einen Weg gewählt, der ihn sehr in das Zentrum des Geschehens rückte und ihn zum Bindeglied der Gruppe macht. Das ist bei weitem keine leichte Aufgabe, erst recht nicht, da du auch abseits des Spiels viele Dinge auf dem Schirm hast. Dadurch haben sich auch die Positionen verschoben. Während im ersten Part Carl der Leader der bestehenden Gruppe war, war es im Schlussteil Alfred, wenn man da eine Zäsur sehen will. Aber auch in einer zweiten Hinsicht hat es einen Positionswechsel gegeben. Im Laufe der Zeit hast du - wie du auch selbst geschrieben hast - immer mehr Zeit mit den Recherchen verbracht und auch outgame die Zusammenhänge immer mehr aufbereitet als Conrad zeitlich das nicht mehr so stark einbringen konnte. Diese Funktion ist innerhalb eines Spiels sehr wichtig und notwendig, gerade wenn es um komplexe politische Darstellungen geht. Insofern warst du in beiden Positionen sehr vorbildlich, die dir auch ein bisschen aufgrund deiner erspielten Position zugefallen sind. Viele scheuen davor und verschwinden dann jedoch schnell, du hast dir die Zeit genommen und diese Position ausgelebt. Mein höchstes Lob dafür.
Die Darstellung und die nach den bekannten Schriften sehr enge Auslegung von Alfred Nobel haben wir mehrfach besprochen und doch werde ich auch dort nicht müde, dies zu loben. Das war für mich ein umfassendes Highlight dieser Runde, obwohl ich zu Beginn ja andere Vorstellungen hatte. Zuerst wollte ich nur Burschenschafter, am Ende gab es nur noch zwei und hauptsächlich andere Charaktere. Aber diese Öffnung hat dem Spiel gut getan und hat geholfen, das Spiel zu diversifizieren. Deine Darstellung hat mich auch davon überzeugt.
Allerdings hat es auch einen Rattenschwanz gegeben, mit dem ich nicht immer ausreichend klar gekommen bin. Emil war abseits seiner Rolle für den Vertrag von meiner Seite sehr blass, du hast dich zuletzt versucht, ihn etwas weiter einzubinden und ihn manchmal als Instrument genutzt. Letztendlich sind Leadershipsachen für das Onlinespiel nicht ganz einfach, da ich auch in der Runde vorher schon meine Liebe Not damit hatte. Meine Sorge ist schnell, dass diese SL-SCs eine größere Rolle spielen als die SCs, und das kann nicht mein Ziel sein. Deswegen nutze ich sie leider etwas zu wenig.
Insgesamt stand Alfred nachher sehr im Fokus. Das lag aber auch zum Teil an den Gesamtentscheidungen, aber sicher auch an der Macht dieses Gegenstandes. Wenn man mir dort etwas vorwerfen könnte, dann dass das Gleichgewicht in der Gruppe durch solche Entscheidungen etwas belastet ist und diese Entscheidungen nicht immer fair sind. Du hast da aber teils gegengesteuert, in dem du auch den Ausgleich mit den Mitspielern gesucht hast und sie quasi ein Teil auch in die Verantwortung genommen hast oder die anderen Charaktere dorthingehend auch auf Alfred zugekommen sind. Also bspw. Conrads Angebot an Nobels Seite zu stehen oder zum Schluss das Angebot an Carl, oder Samuels Gegenangebot.
Ich habe dementsprechend eigentlich keine negativen Punkte auf der Liste. Du hast viel von Alfred freigegeben, hast seine Launen und Gefühlslage beschrieben, bist tief in den Charakter vorgedrungen und hast das nach außen getragen. Vielleicht ist dies ein Vorteil, dass du ein alternativer Biograph durch die Runde geworden bist. Auch durch das Einlesen in Alfred Nobel hast du dir mehr Gedanken um die Persönlichkeit gemacht als man sich aus dem Bauch für einen Charakter macht. Selten hätte man sich ein etwas fixeres Tempo gewünscht, aber das war immer klar kommuniziert und deswegen problemlos. Die Qualität steht wie bei allen Mitgliedern der Schlussgruppe außer Frage. Sie waren immer hoch, manchmal auch herausragend.
Ich hoffe, dass Alfred auch beim zweiten Teil dabei ist. Ich kann aber nicht vorhersagen, wie seine Rolle genau aussehen wird. Das wird sicher eine Herausforderung, auch für dich, denke ich. Meine Highlights mit Alfred waren übrigens die Zeit in der Wohnung von Frau Borggrefe und vor allem der große Beitrag, mit dem du die Hoffnungen des Herzoges dem Feuer übergeben hast. Ich habe es im OOC schon beschrieben gehabt, dass dies ein entscheidender Zug war.
Insgesamt: Ich habe letztendlich sehr wenig negativ zu kritisieren. Die wahren Kritikpunkte betreffen meist mich. Und daran ist zu erkennen, dass die Spielercharaktere die eigentlichen Glanzpunkte dieser Runde waren, wie es sich gehört. So ideal habe ich das selten wahrgenommen. Das liegt darin, so hoffe und denke ich, weil sich alle letztendlich in der Runde wohl fühlten. Ich brauchte also nur, wie es meiner Ansicht nach für einen Spielleiter sein soll, die Bühne stellen. Ihr habt das sehr gut wahrgenommen und ich kann mich nur bedanken für diese Runde und eure wirklich sehr spannenden Charaktere. Der Satz, der es nach wie vor für mich am besten zusammenfasst, ist: Eure Charaktere waren Charaktere!
Sehr schön fand ich auch, dass ihr manchmal die Gründe des Handels eurer Charaktere offenbart habt oder Gedankengänge offengelegt habt. Das ist sehr fair und war gerade in eurer Gruppenkonstellation mutig und freundlich. Desbezüglich bleibt ein Punkt allerdings noch offen, nämlich der des Zusammenspiels eurer Charaktere. Und dieser Punkt ist mir ein längeres Schlusswort wert, das noch folgen wird.
Das ZusammenspielWer Diskussionen zu Rollenspielen liest, wird gewisse Diskussionen mit wiederkehrendem Konfliktrisiko sofort wiedererkennen. Das sind zum einen Gesinnungsdiskussionen, aber zum anderen Diskussionen dazu, wie es mit dem Teamwork zu halten ist innerhalb der Gruppe, oder ob Spieler vs. Spieler erlaubt sein sollte und wie weit das gehen darf. Wenn ich also an so einer Diskussion teilnehmen sollte, werdet ihr künftig mein schlagenstes Argument sein. Ich denke, wir haben hier etwas sehr Ungewöhnliches erlebt. Ich habe gerne das berühmte Bild
[1] verlinkt, wie ich mir das Zusammenspiel vorstelle. Ich halte nichts von Gruppenzwang, aber ich halte genauso wenig davon, dass alle Spieler immer auf ihren Charakter und dessen Meinung beharren. Und jenes hat in dieser Runde so gut geklappt, dass ich selbst noch gar nicht so wirklich wahrhaben will.
Eure Charaktere waren sehr unterschiedlich und haben unterschiedliche Positionen gehabt. Das Finale hat es sehr gut gezeigt. Conrad hatte Hoffnung, dass der Herzog eine hilfreiche Person wäre und dem Land helfen könnte, da er Patriot Holsteins war. Carls Loyalität lag bei Preußen. Alfred wollte Frieden, aber eben auch seine Haut und die seiner Familie retten und sein Geschäft errichten, und Samuel stand in der Szene deutlich auf Seiten der Dozenten. Vier unterschiedliche Positionen, die auch immer wieder vorher deutlich worden und dennoch ein einträchtiges Spiel. Keine Versuche die anderen Spieler anzugehen, weder ingame noch outgame. Es waren unterschiedliche Ansichten, aber durch die Tiefe der Charaktere war auch eine gewisse Empathie für die jeweiligen Charaktere gegeben. Und wenn Empathie gegeben ist, lassen sich Entscheidungen nachvollziehen und leichter tolerieren, selbst wenn man sie nicht akzeptiert; oder sie lassen sich gar akzeptieren. Und so verwundert es mich nicht, dass wir ein Finale haben, in der es kein absoluten Sieger gibt, aber eben auch - meine Wahrnehmung - keinen wirklichen Verlierer. Es ist in gewisser Weise ein Anerkennen der Fakten und ein Kompromißeingehen. Aber ein ehrlicheres als einfach eine Gruppe zusammenzuzwingen.
Und genau hierhin finde ich eure Abschlüsse auch hervorragend. Dass ihr Anknüpfungspunkte sucht, obwohl ihr nicht auf heile Welt tut. Dass ihr Anknüpfungspunkte gefunden habt, obwohl bei vielen die Meinung auch früh klar war und es erkennbar war, in welche Richtung es gehen würde. Niemand musste sich verraten fühlen. Jeder hatte Chance zur Verwirklichung und wenn es auf Zusammenarbeit ankam, wie in Verteidigungsfällen (siehe Gefangennahme Alfreds, oder der Kampf auf Emkendorf etc.), war dieses Gruppenspiel gegeben. Und keiner musste in der Gruppe seine Identität aufgeben, nur um verträglich arbeiten zu können. Und auch das macht gute Charaktere aus für eine solche Runde. Niemand stellte seinen erdachten Charakter über die Vernunft, nur um einen dicken Kopf zu bewahren und niemand warf den anderen unnötig Steine in den Weg.
Ich könnte in so einer Diskussion nicht wirklich festlegen, woran das lag, deswegen muss ich dort spekulieren. Ich denke, zum einen an der dargestellten Offenheit der Charaktere. Da sie alle etwas über sich aussagten, statt einfach nur zu handeln, konnte man sich mit den Charakteren identifizieren. Zum anderen glaube ich, dass die Spieler sich wertgeschätzt haben. Des Weiteren spielt der allgemein lockere, freundliche und doch ernsthafte Umgang miteinander dort eine wichtige Rolle gespielt hat, das zu ermöglichen. Rücksichtnahme spielt eine wichtige Rolle und das habe ich hier erfüllt gesehen und ich bin sehr dankbar dafür.
Ausdruck dessen ist bspw. Alfreds Beschreibung seines Handelns dem Herzog gegenüber. In Runden, in denen kein Grundvertrauen zwischen den Spielern herrscht, würde man nicht auf diese Idee kommen. Es lässt den "Gegnern in der Gruppe" die Möglichkeit, direkt darauf zu reagieren oder gegebenenfalls Steine in den Weg zu legen. Wir haben mehrfach erlebt, dass Einblicke in die Charaktere oder die jeweiligen Arbeitswerkstätten gegeben wurden. Das ist sehr praktisch und war für die Runde ungemein hilfreich. Nicht umsonst trug ich eine Zeit lang die Signatur:
„Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen.“Nach dieser Runde kann ich also ohne Schmerzen sagen: Es muss kein reines Teamplay sein, und es muss kein reines SC vs. SC sein, sondern ein unverkrampfter Umgang damit und das Wissen, dass man sich als Spieler nicht auf Teufel komm raus mit dem nächsten Streiten will. Es gibt diesen Runden ganz andere und sehr spannende Möglichkeiten, in dem man Entscheidungen unter dem Deckmantel seines Charakters treffen kann, ohne dafür alles an Spiel opfern zu wollen oder zu müssen. Sicher ist es hier auch sehr ideal gelaufen, aber ich habe keinen Neid, und keinen Ärger registriert und das freut mich sehr. Das ist aller Ehren wert und Ausdruck eines guten Spielklimas.
Meine Person: Diesmal werde ich abschließend wenig zu mir schreiben. Die beim letzten Mal aufgefassten Kritikpunkte sind weitestgehend erhalten geblieben. Die von mir ausführlich beschriebenen Probleme -
hier zu finden [Vorsicht, ist sehr lang!] - gelten nach wie vor. Ich will nur kurz sagen, dass ich an sich sehr zufrieden bin und freue mich auf eure Kritiken, damit ich weiter davon lernen kann.
Abschlussbetrachtung: Was soll ich noch schreiben? Was soll ich noch sagen? Wir haben eine lange Zeit miteinander verbracht und sicher eine ganz ungewöhnliche Zeit miteinander vertrieben. Ich habe viel mitgenommen, vor allem was das
Pacing einer Runde angeht und was die Ausfälle von Spielern betrifft. Ihr habt mir aufgrund eurer Mühe einen recht einfachen Job gemacht, sodass ich mich um den Rahmen kümmern konnte und viel Zeit mit den Beobachtungen dieser Runde verbringen konnte. Ich habe viel über kreative Prozesse gelernt und auch viel über die von uns bespielte Zeit. Und ich nicht zuletzt habe sogar viel über meine eigene Heimat gelernt. Vor allem aber durfte ich Zuschauer und Mitglied einer Spielrunde sein, die in dieser Zusammensetzung sehr ungewöhnlich war. Ungewöhnlich in der Hinsicht, dass ich wohl noch nie so eine Qualität zusammenhatte und diese Qualität auch so stetig blieb. Dass hinter vielversprechendem Anfang nicht eine Runde lauerte, die bestenfalls mediocre war, sondern dass sie tatsächlich nach anhob und anhob und anhob, bis sie zum Finale auf einem Niveau war, welches so hoch war, dass es zu erstreben nur ungesund sein kann. Und dafür bin ich sehr dankbar.
Vom Gefühl her war es die beste Onlinerunde, die ich je gespielt habe. Zwar ist es erst meine zweite beendete Runde im Gate, doch trotz meines noch jungen Alters feiere ich im Dezember das 13. Jahr in Onlinerollenspielen. Und so eine geschlossene Runde kannte ich bisher nicht. Es wird schwer werden, diese erwachsenen Erfahrungen nicht auf neue Runden zu spiegeln. Und dass diese Furcht erwächst, ist ein hervorragendes Qualitätsmerkmal. Aber was daran nicht zu vergessen ist: Es war keine Runde, die nur von Arbeit geprägt war, sondern für mich von sehr, sehr viel Spaß. Beim Überlegen, beim Fragen beantworten, beim Beitragen, beim Lesen eurer Beiträge. Und dennoch bin ich schwer beeindruckt, dass ihr euch eben auch Mühe mit der Runde gemacht habt. Dass ihr euch durchgebissen habt, wenn es abseits der Runde mal schwer war oder wenn es innerhalb der Runde nach Arbeit wirkte (die Zusammenfassungen kurz vor dem Finale bspw.). Und das hat mir die Motivation gegeben, mich in diese Runde einzugraben und viel daran zu arbeiten. Ein Geben und Nehmen. Dementsprechend - so nüchtern ich sein wollte - muss ich konstatieren, dass ich sehr, sehr glücklich mit dieser Runde war und sie mir ewig in Erinnerung bleiben wird.
Ich möchte schließen mit einer Kekspyramide für euch. 10/10 Kekse. Vielen Dank.