Ein weiteres Mal droht Abdo die Müdigkeit zu umfangen, die er seit jenem Kampf gegen den Abt in sich spürt. Auch die Ruhepause im Kloster hat daran wenig geändert, auch wenn er nach außen noch immer versucht, den Schein zu wahren. In Wirklichkeit spürt er zwar die Dringlichkeit, sich endgültig um den Fluch zu kümmern, der Talahan und die anderen auf ihren Krankenlagern weiterhin befallen hat, aber innerlich wünscht er sich nichts sehnlicher, als dem Vorschlag Hildegerds Folge zu leisten und sich auszuruhen.
So nimmt er den aufkeimenden Streit erst wahr, als die Emotionen bereits hochkochen. "Schon wieder!" kann er nur denken, denn um mäßigend einzugreifen, ist er in seinem Zustand außerstande - nicht dass er es bisher jemals geschafft hätte, irgendetwas zu bewirken statt einer Verschlimmerung. Glücklicherweise schreitet Lîf ein, während Abdo sich noch einmal mit Überlegungen trägt, die spätestens seit der Begegnung mit Ninae in ihm keimen. Die ganze Zeit über hatte er gehofft, Talahan womöglich doch wohlauf und bei Kräften hier wiederzusehen, um ihm die Bürde der Verantwortung zurückzugeben. Denn eine Sache ist dem Ya'Keheter inzwischen klar geworden: Er ist kein guter Anführer. In seiner Heimat, wo die Not und der gemeinsame Feind die Menschen zusammengeschweißt haben, mag dies angehen. Doch hier, wo er sich immer wieder inmitten offener Auseinandersetzungen um Religion und Kultur wiederfindet, die er nicht versteht, ist er einfach nur überfordert.
"Mir fällt nur noch eine Frage ein: Wann sollen wir aufbrechen? Heute ohnehin nicht mehr, und ich denke, morgen werde ich soweit bei Kräften sein."
Dass Hildegerd ihn nicht gehen lassen wollte, ignoriert er dabei und hofft, dass sie das Thema fallen lässt. Ob er am nächsten Tag wirklich bereit ist, falls sie einem Feind gegenüberstehen sollten, daran hat er große Zweifel. Doch ein längerer Aufenthalt hier kann er nicht verantworten, wenn er die Lager voller Opfer der Seuche (oder des Fluchs) sieht. Und genauso wenig könnte er die anderen in Gefahr schicken und selbst hier in Sicherheit zurückbleiben.
"Lîf, auf ein Wort, wenn wir hier fertig sind?"
Dann fällt ihm doch noch etwas ein, und er wendet sich zu Hildegerd. "Eines noch. Wir Haben einige Wertgegenstände aus dem Zimmer des Abts gerettet, um sie vor Plünderungen zu bewahren. Wer ist nun sein Nachfolger und hat einen Anspruch darauf, wo der Abt tot ist?"