Grazil stolzierte der erfahrene Hexenmeister im falschen Körper durch die befestigten und teilweise hochwertig gepflasterten Straßen von Magnimar - der Stadt der Monumente - mit eleganten Schritten.
Dabei wirkte er fast so, als wäre er nun endgültig die mächtige Runenfürstin höchstpersönlich mit ihrer gottgleichen Anmut und Ausstrahlung.
Konnte es vielleicht wirklich sein, dass Oviento nicht nur die sterbliche Hülle, ihr Blut und ihre magischen Fähigkeiten von Sorshen immer mehr versinnbildlichte und darstellte, sondern auch ihre Seele.
Denn sein ganzes Auftreten und seine verführerischen Fähigkeiten - besser gesagt seine sexuelle Anziehungskraft auf beide Geschlechter - entsprachen immer mehr der Runenfürstin der Wollust.
Würde sich Morvius Leroung bald ganz in dieser Azlanti verlieren?
Doch sein neuer Körper hatte auch andere Schattenseiten, weshalb er seine Kapuze noch dichter über den Kopf zog, um den Mob fern zu halten.
Denn egal in welchem Teil der Stadt - jeder Pseudogelehrte und Kenner der Geschichte erkannte in ihm die Frau, welche auf so vielen Statuen und Ruinen in ganz Varisia abgebildet war.
Und so gab es schnell überall Ärger und teilweise blutige Auseinandersetzungen, denn nur wenige zollten Respekt und Furcht, wie es eigentlich sein müsste.
Deswegen spielte Morvius Leroung, wie ihn Sheila Heidmarch in der
Einladung, welche er gestern erhalten hatte durch einen magischen Boten, immernoch nannte, denn auch sie hatte ihn nach dem mehr oder weniger erfolgreichen Unterfangen am Leuchtturm mit Argwohn, Misstrauen und Unverständnis bestraft für seine neue Gestalt und seinen neuen Namen, mit dem Gedanken die Stadt zu verlassen.
Doch selbst außerhalb von Varisia würde man sein fremdes Gesicht wahrscheinlich erkennen und höchstens in Irrisen, Nex oder Cheliax würde man mit ihm - einem gläubigen Asmodeusanhänger und Kundschafter - gute Geschäfte machen.
Und schlimmer: Ihn wahrscheinlich versuchen zu töten, wenn man sehen würde wie mächtig er geworden ist als einfacher Sterblicher.
Denn mit dem kurzzeitigen Erwachen von Karzoug - dem Runenfürsten der Gier - vor gar nicht so langer Zeit in der Vergangenheit war nicht nur die Bevölkerung von Varisia unsanft wachgerüttelt worden - fast alle Nationen beschäftigten sich nun insgeheim mit den Runenfürsten und der thassilonischen Geschichte.
Doch am Ende waren es Kundschafter, welchen er selbst angehörte und welche die Runensplitter wieder zum Stern - dem Sihedron - zusammenführen wollten.
Und er war nun ein Teil davon.
Nicht nur durch die schrecklichen Dinge im
Leuchtturm, welche ihm beim Bergen der ionensteinbesetzten Splitters der Wolllust widerfahren sind und ihn für immer wie sein neues Spiegelbild verfolgen werden, denn die
Diener der Runenfürstin und dieser schreckliche Dämon, welcher Tod und Angst verbreitet hatte in der Gestalt der Runenfürstin der Wollust, hatten die gesamte Gruppe vernichtet außer Oviento (darunter sein langjähriger Freund und Kundschafterkollege Mallen), sondern auch durch diese bedeutsame Einladung nun.
Denn dieses Artefakt war wie seine Magie der sieben Sünden mächtig und gefährlich zugleich.
Dabei möchte der charismatische Hexenmeister in Frauengestalt gar nicht weiter darüber nachdenken, was für Wächter die anderen Runensplitter bewacht haben.
Es gab ja nicht umsonst Gerüchte, dass viele Seelen bei diesem Unterfangen geopfert wurden und das es sogar gegen Drachen und einen mächtigen kopflosen Reiter ging, welcher seit Epochen Kaer Maga bewacht hatte.
Nachdenklich wendet sich Oviento ab und betrachtet das nächste berühmte Monument in seiner Nähe, von welchen es in Magnimar viele gibt.
Es ist der
Schlangenturm im Viertel der Regierung und des Hochadels.
Wie so viele alten Gebäude und Monumente zeigt auch dieses Denkmal den allseits verehrten und geliebten Gründer der Stadt - Sir Alcaydian lndros, als ewiges Monument für diesen lokalen Helden und mächtigen Paladin des Aroden, welcher diesen uralten Schrecken - eine zweiköpfige Schlange, erschlagen hatte.
Vielleicht würde er noch mehr darüber wissen, wenn er genauer darüber nachdenkt
[1], denn gab es nicht ein Lied oder Gedicht, welches an diesem Ort wahre Wunder wecken würde, wenn man es vorträgt?
Nachdenklich blickt die Hexenmeisterin, welche einst einer adeligen chelaxianischen Familie angehörte, Gaszarsir - ihren kleinen teuflischen Gefährten - auf ihrer Schulter an.
Bis zur Festlichkeit hätten sich auf jeden Fall noch etwas Zeit.