Der Dämon blinzelt
Abdo verwirrt an.
"Was immer du da für eine Sprache sprichst, ich verstehe kein Wort. Du bist wohl nicht von hier? Die hiesigen kenne ich nämlich alle. Wahrscheinlich hätte mir deine sonderbare Hautfarbe schon ein Hinweis sein sollen. Sag, wo kommst du her?"Lîf dagegen ermahnt er in ernstem Ton.
"Tut mir leid, so funktioniert das Universum nicht. Eine Welt gehört demjenigen, der sie für sich erobern und verteidigen kann." Er runzelt die Stirn ob Lîfs Anschuldigung.
"Und was du da unterstellst vonwegen, wir wollten hier Unheil anrichten und Leid verbreiten, das ist doch absurd. Glaubst du wirklich, das sei unser Ziel? Ein Wolf, der ein Schaf reißt, versucht der, Unheil anzurichten oder Leid zu verbreiten? Nein, er will nur überleben. Genau das wollen wir auch. Es ist das Geburtsrecht eines jeden Wesens: alles zu tun, was dem eigenen Überleben dient. Nichts anderes zählt. Das Universum ist ein kalter, gleichgültiger Ort." Ihre Holzfaust lässt ihn erst stutzen, dann erfreut auflachen.
"Ha, schau an. Noch eine, die mehr efeyga ist als Mensch. Das macht deinen Vorwurf aber noch ungerechter: wir Skoll-Hati haben nicht weniger Anrecht darauf, diese Welt zu besiedeln, als die Menschen. Oder die Dain. Oder die Elben", fügt er mit entsprechenden Seitenblicken hinzu.
"Denn wirklich hierher gehören tun nur die... wie nennt ihr sie nochmal? Erdkinder? Vielleicht noch die Riesen, bei denen bin ich mir nicht sicher. Deinen Begleitern jedenfalls könnte ich mit gleichem Recht anraten wie du mir: geht doch dahin zurück, woher ihr gekommen seid!"Rogars lange Rede in der Zwergensprache lässt ihn dagegen die Augen verdrehen. Antworten tut er diesmal in Suli.
"Nein, nein. Also, jetzt bin ich gänzlich enttäuscht von euch. Bislang dachte ich, wenigstens ihr Dain wäret, als einzige Bewohner dieser Welt, dem albernen Magieglauben entwachsen. Begreifst du nicht: alles, was ihr als Magie bezeichnet, ob jemand Blitze schleudert oder Dornen aus seinen Hände wachsen lässt oder deine Gedanken zu lesen scheint, das alles lässt sich rational erklären. Wissenschaftlich."Als Rogar ihn nach dem "Abkommen" fragt, folgt sein Blick dem des Zwergen.
"Wie, du meinst mit ihm? Ach, da steckt nicht viel dahinter. Ab und an kommt er an und verkündet, er habe mal wieder einen ganz großen Plan, wie wir mit unseren Zielen endlich weiterkämen. Dann fragt er gern in unsere Runde: Wer von euch ist dabei? Und wer am lautesten 'Hier!' schreit, der darf mit. Was soll ich sagen. Ich glaub' zwar nicht, dass viel daraus wird, aber ich nutze jede Gelegenheit, um mal wieder unter Leute zu kommen. Untätigkeit ertrage ich ganz schlecht. Ich denke, darin sind wir uns ähnlich." Der letzte Satz ist an Abdo gerichtet, offenbar als weiteres Argument für die angebotene "Partnerschaft".
Je länger
Abdo dem Dämon lauscht, desto unwirklicher fühlt er sich. So hat er noch nie einen Dämon reden hören.
Dass er reden kann, hat den Ya'Keheter dabei weniger überrascht, als die Art, wie er so unbekümmert daherplaudert. So mühelos, fehlerfrei, in der Landessprache wie offenbar auch in Rogars Muttersprache. Und dabei wie ein Mensch klingt. Menschliche Sichtweisen und Sprecharten glaubhaft imitiert. Das kennt Abdo aus seiner Heimat anders. Die Male, da er einen Dämon hat sprechen hören, das klang anders. Die Sprache geradebrecht, die Intonation gegen alle Sinnhaftigkeit, die Gedankenwelt, die sich dahinter erahnen ließ... so bizarr, so durch und durch fremd. Nicht nur "Dalaran-fremd" oder "Elbisch-fremd" oder auch "Ninae-fremd", sondern schlichtweg nicht mehr nachzuvollziehen. Ein einziges Rätseln, was der Dämon gemeint haben könnte, welcher dann umgekehrt die Antwort der Menschen miss- oder gar nicht verstand. Eine mühsame Sache. Kein Vergleich mit dem, was sich ihm gerade bot.
Auch
Aeryn hat einen Dämon wie diesen noch nie erlebt. Sie allerdings hat einen Dämon noch niemals sprechen gehört. Zischen, fauchen, und offenkundig den eigenen Rängen Befehle erteilen, ja, aber Konversation betreiben? Absurd.
[1] Dennoch folgt sie kommentarlos Rogars Vorschlag, sich doch mal um den Fluch zu kümmern. Vorsichtig nähert sie sich dem Ort, von dem das ganze Unheil, das Ansdag und Umgebung befallen hat, ausgeht. Und obwohl die Halle dank Uther nahezu taghell erleuchtet ist, zaubert die Elbin ein Licht auf ihr Schwert, denn ihr Licht ist warm, wie der Schein eines Feuers, nicht so kalt und blau wie das andere, das sie an einem vereisten See denken lässt, auf dem sich die Wintersonne spiegelt.
Je weiter sie sich der die Statue inmitten des Podestes nähert, desto ärger fröstelt sie. Das bilde ich mir ein, denkt sie zunächst, doch bald darauf stößt sie mit jedem Atemzug Wölkchen aus.
Eine jämmerliche Kreatur hockt da angekettet vor ihr: die Augen blinzeln blind, Nase und Ohren sind grotesk verwachsen, unter bläulich verquollener Haut zeichnen sich schwarze Adern ab, vom schneeweißem Haar klammern sich vereinzelte Strähnen an den fast schon mumifizierten Schädel, über zu spitzen Zähnen hängen die Lippen in Fetzen, dabei in steter Bewegung, während gurgelnde Wimmerlaute aus seiner Kehle steigen. Die Kleidung eines korpulenten Mannes hängt besudelt um den bis auf Skelett abgemagerten Leib.
[2] Auf Aeryns Annäherung reagieren tut der Mann nicht.