Bevor Lîf sich jedoch die lange Rede ihres Gatten verdauen kann (oder eine Entscheidung treffen, ob sie den anderen denn nun die Kellertreppe hinab folgen solle), taucht Freydis bereits wieder auf, gefolgt von Abdo, Aeryn und einem klatschnassen, strahlenden Kjartan. Rogar dagegen nimmt sich noch kurz die Zeit, den Einsturz etwas genauer zu untersuchen und findet seinen ersten Eindruck bestätigt: der Keller ist in diesem Bereich bereits vor Jahrhunderten verschüttet. In Richtung Brunnen entdeckt Rogar dazu, dass die menschlichen Erbauer dieses Gebäudes ein wenig nachhalfen, um den Zugang wieder zu ermöglichen: Grabspuren und hölzerne Abstützungen beweisen dies. Dann kraxelt auch er die (unangenehm enge) Wendeltreppe wieder hinauf.
Da sich im Haus noch immer niemand rührt, setzt die Gruppe ihre Erkundung fort. Gleich neben der Eingangstür befindet sich noch ein großer Raum, der zur Hälfte mit Tisch und Bänken ausgestattet ist – darauf allerlei Zeitvertreib verstreut liegt, in Form von Würfeln, Karten oder Humpen – zur anderen Hälfte aus blankem Erdboden besteht, vormals strohbedeckt, dies aber ziemlich zerwühlt, besonders in der Mitte, als hätten dort regelmäßig Ringkämpfe stattgefunden. Offenbar ein Aufenthaltsraum für die Kämpfer bei schlechtem Wetter.
Weiter geht's zwischen den beiden zuvor entdeckten Schlafkammern hindurch den breiten Gang mit dem Wandteppich hinunter, der in einem schmaleren Gang mündet. Die Türen links und rechts führen jeweils in was auf den ersten Blick wie Gerümpelkammern ausschaut. Kisten und Körbe sind wild durcheinander gestapelt, Kleidung überall verstreut, prall gefüllte Beutel hängen an Wandnägeln, während allerlei Hausrat, einiges zerbrochen aber das meiste noch heil oder leicht reparierbar, nahezu jedes freie Stückchen Boden füllt. Der alles bedeckende Staub zeigt, das nichts von all dem momentan in Gebrauch ist – was für eine Verschwendung! (Auf Rûngard wäre ein solcher Anblick nicht denkbar gewesen; auf Albion auch nur schwerlich.) Vom Fenster der vorderen Kammer (auch dies, wie schon gewohnt, halb unter dem Erdboden, halb darüber) blickt man zum Brunnen hin, vom hinteren (welches sich unerwartet etwa anderthalb Ellen über dem Erdboden befindet) auf ein ordentlich angelegtes Küchengärtchen hinaus, in welchem das Kraut aber recht welk erscheint, wie man es unterwegs bereits mehrmals am Wegesrand fand. Außerdem sieht man vor hier auf den rückwärtigen Teil des Hauses.
Diese untypische Bauweise überrascht die "Einheimischen", Lîf, Tristan, Freydis und Kjartan, welche sich selbstverständlich in einem Langhaus wähnten, während Abdo, Aeryn und Rogar aufgrund mangelnder Kenntnis des hiesigen Wohnungsbaus keine derartige Erwartung hegten. Der hintere Teil – akadische Steinmetzarbeit mit von Menschenhand aufgesetztem Dachstuhl – setzt etwa vier Schritt unterhalb des Ganges gegenüber der Haustür an, und ist so breit wie der vordere Bereich, oder vielleicht etwas schmaler. Obwohl von hier aus nicht sichtbar, dürfte das kleine Türmchen, welches man beim Herannahen hinter dem Haus übers Dach lugen sah, sich direkt an den hinteren Teil des Hauses anschließen. Offenbar hat die Fürstenfamilie ihr Heim direkt an die einzige noch halbwegs intakte akadische Ruine angebaut.
Bevor Rogar und Abdo die Tür in der Mitte aufstoßen, lauschen sie, ob sich dahinter wirklich nichts rührt. (Der verschwenderische Besitztum in den Nebenräumen, wie auch der teure Wandteppich im Flur, lässt vermuten, dass es sich dahinter um ein Herrschaftszimmer handelt; dort tritt man ungern ohne Einladung ein, außer man ist ein Rûngarder Pirat.) Doch nicht ein Laut ist zu hören. Abdo ist es, der die Tür schließlich aufstößt. Auf den ersten Blick ist niemand zu sehen. Gestank ist vielmehr der erste Eindruck. Trotz zweier Fenster riecht es hier, unangenehm, nach einer alten Person. Auch diese Kammer ist mit zuviel Besitz gefüllt, aber noch halbwegs ordentlich und auch staubfrei.
An der Wand gegenüber der Tür steht ein großes Bett, nur wenig kleiner als das des Abtes, komplett mit Baldachin und zuziehbaren Vorhängen. Ein Tisch mit Bank und drei Stühlen nimmt die Mitte des Raumes ein, ein kleinerer Tisch steht vor dem rückwärtigen (und damit helleren) Fenster, bedeckt mit Korrespondenz, Tintentopf und Feder. Zu beiden Seiten der Tür befindet sich je ein niedriger Schrank.
Könnte dies das Zimmer des alten Soren sein, in welchem der Fürst laut Magd seit "zwei Wochen oder so" bettlägrig mit "Schnupfen oder Gicht" daniederliegt? Trotz zurückgezogener Bettvorhänge lässt sich von der Tür aus nicht erkennen, ob sich in dem Gewühl der Decken nicht vielleicht doch ein Kranker befindet. Ein abermaliges Lauschen lässt allerdings keinen Atem vernehmen.
[1]